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Gesellschaft

Bubiker Kultbeiz muss nach 30 Jahren den Abschied feiern

Nicht mal der Gemeindepräsident konnte es noch abwenden. Mit der Schliessung der Rampe Bubikon verliert der Ort ein Stück Geschichte.

Pächter Marco Schenk mit seiner Frau Brigitte Schenk.

Foto: Seraina Boner

Bubiker Kultbeiz muss nach 30 Jahren den Abschied feiern

Nicht ganz freiwillig

Nach einer letzten grossen Party ist die «Rampe» in Bubikon Geschichte. Damit verschwindet ein wichtiger Treffpunkt aus der Gemeinde. Zurück bleiben viele gute Erinnerungen und ein fahler Nachgeschmack.

Die Enttäuschung in Bubikon ist gross. Die «Rampe» hat ihre Türen für immer geschlossen. Letzten Samstag war die grosse Abschiedssause – mit 400 Partygästen.

«Ich bin immer noch überwältigt», sagt Marco Schenk, der langjährige Wirt, einige Tage danach. «Die Stimmung war phänomenal. Ich musste mich während des Fests immer wieder hinter meiner Arbeit verstecken, um die Emotionen zu verarbeiten.»

Gerechnet hatte er mit 250 Gästen. «Um acht Uhr abends war das Mineral bereits aus, und wir mussten Hahnenwasser ausschenken.» Beim Bier ging seine Rechnung etwas besser auf. «Es wurde bis zum letzten Tropfen getrunken.»

Kultbeiz war schon mal zu

Es ist eine grosse Verbundenheit mit dem Kultlokal zu spüren, zu dem in den Anfängen auch ein Klubbetrieb gehörte. Schenk hatte beides zusammen mit zwei Partnern gestartet.

1992 liess ein Investor das ehemalige Fabrikareal an der Sennweidstrasse umbauen. Eine Zusammenarbeit mit dem Kulturverein Scala stand damals schon fest. Schenk lernte seine künftigen Partner an der Kezo-Einweihung in Hinwil kennen, er war damals 26 Jahre alt. Das Trio hatte zu jener Zeit schon Erfahrungen im Catering-Bereich gesammelt, und Schenk verfügte über ein Wirtepatent.

Seine Partner gingen nach einigen Jahren andere Wege, Schenk blieb. «Damals hätte ich nie gedacht, dass ich das so lange mache.» Es sei ein Knochenjob.

Wie hart das Geschäft sein kann, bekam der Wirt im Sommer 2007 zu spüren. Viel Alkohol und wenig Schlaf prägten damals seinen Alltag. Dann konnte er seine Rechnungen nicht mehr bezahlen, ging in Konkurs.

Zwei Monate blieben Restaurant und Kulturbetrieb zu. Doch er rappelte sich wieder auf, führte jedoch nur das Restaurant weiter.

Treue Kundschaft bedauert Schliessung

Die Kultbeiz war immer gut besucht. Das zeigte sich auch in den letzten Tagen der «Rampe». «Am Mittag hatten wir jeweils wie heute zwischen 20 und 80 Gäste», meint der Wirt. Am Abend seien durchschnittlich 50 Gäste gekommen.

Jetzt müssen sich Rafael Medel und seine Arbeitskollegen nach einem neuen Restaurant in der Region umsehen. «Wir haben fast jeden Freitag hier gegessen», erklärt Medel, der in der «Rampe» schon seit 13 Jahren einkehrt.

Acht Männer sitzen an einem Tisch in einem Restaurant und lächeln in die Kamera.
Rafael Medel (hinten rechts) und seine Arbeitskollegen trafen sich am Freitag zum letzten Mal im Restaurant Rampe.

«Die feine Weissweinsuppe werden wir sehr vermissen.» Das Dessert sei freitags immer gratis gewesen, überhaupt seien die Preise immer fair gewesen und der Service sehr freundlich.

Nico Scherrer, der in Bubikon arbeitet, schwärmt: «Man musste nie lange warten.» Das sei für sie als Handwerker entscheidend gewesen. «Es war ein Treffpunkt für die Arbeiter, die im Aussendienst tätig waren. Beim Mittagessen konnte man sich sehen und austauschen.» Anschliessend sei dann wieder jeder seiner Arbeit nachgegangen.

Beat Frey geniesst zum letzten Mal das Menü zwei. Auf seinem Teller ist Schweinegeschnetzeltes an grüner Pfeffersauce mit Spätzle und buntem Gemüse. «Die ‹Rampe› hinterlässt eine Lücke. In Bubikon gibt es nun nichts mehr in diesem Segment.» Das Preis-Leistungs-Verhältnis habe hier immer gestimmt.

Hier endet eine zweite Ära

Robert Hotz ist speziell mit der «Rampe» verbunden. Der Stammgast hatte in der familieneigenen Fabrik gearbeitet, bevor daraus das Restaurant wurde. 1989 wurde die als «d Hösli» bekannte Fabrik wie viele Betriebe in der Textilindustrie stillgelegt, die Gebäude wurden 1992 verkauft.

Ein älterer Mann mit Brille sitzt in einem Restaurant.
Robert Hotz war nicht nur Stammgast in der «Rampe».

«Es ist für mich ein sehr emotionaler Moment. Es ist der letzte Rest unserer Firma, der verschwindet. Jetzt kommt hier wohl kein Restaurant mehr rein.»

Wichtiger Treffpunkt in der Gemeinde

Nicht nur die Stammgäste werden das Lokal vermissen. «Wir bedauern es sehr, dass es die ‹Rampe› nicht mehr gibt. Somit verschwindet ein wichtiger Treffpunkt in der Gemeinde», sagt Gemeindepräsident Hans-Christian Angele (FDP). Die Gemeinde versuchte denn auch, die Schliessung des Restaurants zu verhindern.

Für Liegenschaftsbesitzer sei ein Restaurant «leider» nicht sehr attraktiv, bedauert der Gemeindepräsident. Sie würden in der Regel versuchen, die Einnahmen zu steigern und den Aufwand möglichst gering zu halten.

Schenk und seine «Rampe» ein Rendite-Opfer?

Zwist mit der Vermieterin

Klar ist: Pächter und Vermieterin haben sich zerstritten. Und es geht um Geld. Auf Anfrage erklärt die Liegenschaftsbesitzerin, die namentlich nicht genannt werden will, sie habe dem Pächter kündigen müssen.

Dieser habe seit Januar 2022 keine Miete mehr bezahlt. Schenk auf der anderen Seite sagt, er habe jahrelang zu viel Miete und zu viele Nebenkosten berappt. Die beiden Parteien werden sich letztlich wohl vor Gericht wiederfinden.

Marco Schenk hätte gerne noch zwei Jahre weitergemacht. Und dann das Restaurant an eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger weitergegeben. Doch dazu kommt es jetzt nicht. Es ist überhaupt unklar, ob in die Liegenschaft wieder ein Restaurant reinkommt.

Ein Mann steht vor einem Restaurant.
Ist Marco Schenk der letzte Gastgeber in der Sennweid?

Diesbezüglich ist der Gemeindepräsident noch im Gespräch mit der Liegenschaftsbesitzerin. «Es ist noch keine definitive Entscheidung gefallen. Noch hoffen wir, mit der Besitzerin eine Lösung für eine vergleichbare Nutzung zu finden», erklärt Angele.

Die Liegenschaftsbesitzerin bestätigt die Gespräche mit der Gemeinde. Noch sei alles offen. Vorher will sie die Liegenschaft aber noch energetisch sanieren.

Und Schenk?

Zurück zu den Wurzeln

Ein Restaurant möchte er nicht mehr führen. «Ich muss die Schliessung der ‹Rampe› noch setzen lassen.» Derzeit ist er damit beschäftigt, die Liquidation vom 21. und 22. Juli zu organisieren. Das gesamte Gastro-Kleininventar aus der Küche und dem Service will Schenk verkaufen. Ausserdem werden 16 Tische und 80 antike Holzstühle liquidiert.

Das Catering, mit dem alles anfing, ist bis heute sein zweites Standbein geblieben. Darauf will der 57-Jährige auch in Zukunft setzen. Der Schnitt sei schmerzhaft, aber sie seien froh, dass ein neuer Abschnitt in ihrem Leben anfange.

Sie, das sind Schenk und seine Frau Brigitte Schenk-Calore. Vor 20 Jahren haben sie sich in der «Rampe» kennengelernt. Sie «hat damals hier angefangen, und wir haben uns bei der Arbeit verliebt». Mittlerweile sind die beiden zwölf Jahre verheiratet.

Eine Frau und ein Mann stehen in der Küche eines Restaurants und lächeln in die Kamera.
Brigitte und Marco Schenk freuen sich auch auf ihre neue Zukunft.

«Wir wollen die Zeit mit unseren Enkeln geniessen. Das Gastgewerbe ist ein unheimlich harter Job. Nach 30 Jahren bin ich müde», so Schenk.

Eine letzte Freinacht

Nicht zu müde für eine allerletzte Party. Bis morgens um vier hatte Marco Schenk mit seinen Gästen und Freunden gefeiert. Eingeheizt hatte ihnen die Band Other Fools, die in der «Rampe» am Stammtisch entstanden ist. Deren Gitarrist Martin Camenisch kletterte dafür auf den Bartresen und spielte ein Solo.

Schenk machte es ein letztes Mal wie früher. «Ich habe vier Stunden geschlafen und dann aufgeräumt. Dann habe ich das Fest Revue passieren lassen.» Dabei seien gemischte Gefühle aufgekommen. «Es macht mich traurig und glücklich zugleich.»

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