Abo

Gesellschaft

Auf den Spuren des Turbenthaler Baumeisters Walter Müller

Die Tage des Hauses, das durch die Auswanderer Familie Almeida auffiel, sind gezählt. Erbaut wurde es durch Walter Müller.

Die Tage des Bed & Breakfast am Heerwiesweg sind gezählt.

Foto: Marco De Luca

Auf den Spuren des Turbenthaler Baumeisters Walter Müller

Tösstaler Häuser erzählen Geschichten

Die Tage des Hauses, das durch die Auswanderer Familie Almeida auffiel, sind gezählt. Erbaut wurde es durch Walter Müller. Er war einst Bauunternehmer und Gemeindepräsident.  

Renate Gutknecht

Das Haus am Heerwiesweg 15 kann mit zwei Geschichten punkten. Nationale Bekanntheit hat es erlangt, als das Schweizer Fernsehen die Besitzerfamilie im Jahr 2019 bei der Auswanderung begleitete.

Die fünfköpfige Familie Almeida machte sich damals in der gleichnamigen Fernsehserie auf und davon. Zuvor hatte sie in Kanada, nahe der Stadt Tatamagouche, eine alte Farm entdeckt und gekauft.

Angedacht war sie als Feriendomizil. Doch später ergab sich die Möglichkeit, das in der Nähe stehende Balmoral Motel zu übernehmen. Damit gelang es der Familie, eine Existenz aufzubauen. Die Nachfolgesendung der SRF-Serie dokumentierte, dass die Almeidas es geschafft haben.

Das langjährige Bed and Breakfast am Heerwiesweg wurde derweil familienintern weiterbetrieben. Weil es betreffend der Zufahrt Unstimmigkeiten gab, fand es 2021 nochmals den Weg in die Medien. Es führte das eine zum anderen, die Liegenschaft wurde verkauft, es entstehen stattdessen zwei Mehrfamilienhäuser.

1962 erbaute Villa Die zweite Erzählung ist verbunden mit der Lebensgeschichte von Walter Müller, die wiederum mit der Gemeindegeschichte gepaart. Müller erbaute 1962 die Villa am Heerwiesweg. Die gewählte Bauart hatte er zuvor eher zufällig im Kanton Aargau entdeckt.

Der knapp 90-Jährige und seine zweite Frau haben das Haus mit reichlich Umschwung vor 20 Jahren verlassen, um sich in der Gemeinde Russikon niederzulassen. Müller hat immer noch lebhafte Erinnerungen an die aktive Zeit in Turbenthal. 1969 war er direkt als Gemeindepräsident gewählt worden, nachdem er zuvor mit der Stimmbürgervereinigung Pro Turbenthal und deren energischen Dorfpolitik aufgefallen war.

«Ich hätte mich nie in das Amt wählen lassen sollen», erzählt er rückblickend. Man spürt das Bedauern noch heute. «Dadurch habe ich mein Baugeschäft aus zeitlichen Gründen verkaufen müssen.»

Ringen ums Lindehus

In weiser Voraussicht hatte er dieses 1970 aber noch in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Wehmütig macht Müller auch der Niedergang des Landgasthofs Bären im Ausserdorf. Für dessen Bau und die Eröffnung 1971 hatte er sich zusammen mit Gleichgesinnten stark gemacht.

Doch das bei der Bevölkerung beliebte Gebäude mit Hallenbad, Restaurant und Hotelzimmern rentierte nicht wunschgemäss und musste abgebrochen werden. Entstanden ist eine grosszügige Wohnüberbauung.

Man sieht auf dem Schwarzweiss-Foto einen Gasthof, davor sind viele Autos geparkt.
Der Landgasthof Bären war einst ein beliebter Treffpunkt in Turbenthal.

Walter Müller kann durchaus auf eine erfolgreiche Präsidialzeit zurückblicken. In diese Zeit fiel beispielsweise der Bau des Alterspflegeheims Lindehus. Dieses konnte nach den geschickten Verhandlungen des Gemeindepräsidenten mit dem zuständigen Regierungsrat nach langer Vorgeschichte 1978 endlich eingeweiht werden.

Knackpunkt waren damals die tiefen Einwohnerzahlen der involvierten Gemeinden. Der Kanton wollte deshalb keine Subventionen leisten. Müller aber konnte steigende Bevölkerungszahlen prognostizieren und dass ein Alterspflegeheim gerechtfertigt sei. Der Regierungsrat schwenkte um. Ein Erfolgserlebnis für Müller, der nach nur neun Jahren aus gesundheitlichen Gründen als Gemeindepräsident zurücktrat.  

Ein Baugeschäft entwickelt sich

Walter Müllers Berufslaufbahn wurde durch seine Vorfahren aufgegleist. Der Grossvater übernahm 1919 in Turbenthal ein bestehendes Baugeschäft und übergab die florierende Firma auf Januar 1935 seinen beiden Söhnen Hans und Walter. Kurz darauf verstarb er.

Die Brüder wirtschafteten weiterhin erfolgreich und kauften 1946 in Bauma einen weiteren Betrieb. Walter blieb in Turbenthal, Hans oblag die Geschäftstätigkeit in Bauma. Das Unternehmen hiess ab dann Baugeschäft Gebrüder Müller, Turbenthal und Bauma.

Walter Müller senior war verheiratet mit Frieda Furrer aus dem Freihof Schmidrüti. 1954 starb er an einem Herzinfarkt. Der junge Walter Müller musste, erst 22-jährig, das Geschäft mit 30 Mitarbeitern übernehmen.

Aufnahme von einer Wirtschaft
In diesem ehemaligen Wirtshaus wurde der Grundstein für eine erfolgreiche Baufirma gelegt.

Unterstützt von der Mutter im Büro und dem Onkel in Bauma, gelang es ihm, die Firma zu halten und auszubauen. Das Bürogebäude befand sich damals im ehemaligen Restaurant zum Brauerei-Garte an der Tösstalstrasse, schräg gegenüber der reformierten Kirche.

Da sich das Baugeschäft ausweitete, entstand im Wiesental ein bis 2009 genutzter Werkhof. Nach der Eröffnung des Landgasthofs Bären, zügelte die nach dem Tod des Vaters umbenannte Firma Müller und Co., Turbenthal in die Räumlichkeiten des alten «Bären» direkt gegenüber. 

Kanalisationen bauen

23-Jährig erhielt Walter Müller zusammen mit einem Partnerunternehmen den Auftrag, an der Gyrenbadstrasse die erste Kanalisation in der Gemeinde zu erstellen. Mit dieser Arbeit machte er sich einen Namen.

Es kamen nachfolgend Kanalisationsaufträge von Wetzikon bis Volketswil, erzählt er heute mit Genugtuung. Der junge Unternehmer war zudem sehr innovativ. 1958 erbaute er trotz Bedenken seiner Mutter am Schützenweg das erste Mehrfamilienhaus in Turbenthal. Bevor es fertig war, konnte er es verkaufen.

Daraus resultierte das Potenzial für einen zweiten Wohnblock an der Schürstrasse. Dieses Mal in Zusammenarbeit mit dem Zimmereibetrieb Bänninger. Auf Anraten des damaligen Leiters der Kantonalbank erstellten sie im Erdgeschoss eine Anlage mit zu mietenden Tiefkühlabteilen.

Mehrfamlienhaus mit grünen Läden
Dieses Mehrfamilienhaus an der Schürstrasse hatte ursprünglich im Erdgeschoss Tiefkühlflächen.

Diese waren beliebt, denn längst nicht alle Haushalte verfügten damals über solche Möglichkeiten. Das Haus ist immer noch in Familienbesitz, inzwischen haben allerdings Autogaragen die Kühlanlagen ersetzt.

Militärbauten im Chapf

In Deutschland entdeckte der stets suchende Jungunternehmer den Fertigbeton. 1959 erstellte er nahe des Bahnhofs Saland eine Mischanlage – als eines der ersten Unternehmen. Das eigenständige Geschäft Tobag fabrizierte erst nur Pflastersteine, später kam der Fertigbeton dazu.

Die Firma in Turbenthal boomte ebenfalls und konnte bis 1970 als Generalunternehmung 215 Wohnungsbauten erstellen. Das eindrücklichste und lukrativste Projekt war der Bauauftrag des Militärs für die Bloodhound-Raketenabwehr im Chapf in Schmidrüti.

Da muss der ehemalige Major Müller nicht lange in den Erinnerungen kramen. Hier arbeitete er im Sinne des Auftragsgebers mit der Strassenbaufirma Walo Bertschinger zusammen. Die streng geheime Anlage wurde Ende der 1990er Jahre stillgelegt, an ihrer Stelle ragt heute eine Radaranlage aus den Tannen heraus.

Die 1919 gegründete Firma in Turbenthal hiess ab 1970 AG Baugeschäft Turbenthal und verschmolz im gleichen Jahr mit der AG Baugeschäft Wülflingen. 1999 erfolgte der Zusammenschluss mit der Firma U. Bonomo Söhne AG zur heute bekannten BWT Bau AG. (rg)

Abo

Möchten Sie weiterlesen?

Liebe Leserin, lieber Leser

Nichts ist gratis im Leben, auch nicht Qualitätsjournalismus aus der Region. Wir liefern Ihnen Tag für Tag relevante Informationen aus Ihrer Region, wir wollen Ihnen die vielen Facetten des Alltagslebens zeigen und wir versuchen, Zusammenhänge und gesellschaftliche Probleme zu beleuchten. Sie können unsere Arbeit unterstützen mit einem Kauf unserer Abos. Vielen Dank!

Ihr Michael Kaspar, Chefredaktor

Sie sind bereits Abonnent? Dann melden Sie sich hier an

Digital-Abo

Mit dem Digital-Abo profitieren Sie von vielen Vorteilen und können die Inhalte auf zueriost.ch uneingeschränkt nutzen.

Sind Sie bereits angemeldet und sehen trotzdem nicht den gesamten Artikel?

Dann lösen Sie hier ein aktuelles Abo.

Fehler gefunden?

Jetzt melden.