Das traurige Ende einer Ustermer Musikinstitution
Musik Schärz verschwindet
Das Musikhaus Schärz in Uster schliesst nach dem Ableben des Besitzers für immer seine Türen. Das Ende schafft Klarheit, hinterlässt aber eine grosse Lücke.
Dass Traditionshäuser verschwinden, mag in Zeiten der fortschreitenden Individualisierung und Digitalisierung keine Seltenheit mehr sein. Schade ist es allemal. Nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich: Der Verlust von Gewohnheiten, Qualität und Zwischenmenschlichkeit schmerzt.
Zum Ende dieses Jahres hat dieses Schicksal Uster ereilt. Mit dem Musikhaus Schärz verabschiedet sich eine Institution, die 51 Jahre lang nicht nur das musikalische und damit kulturelle Leben in der drittgrössten Stadt des Kantons, sondern auch in der ganzen Region mitgeprägt hatte.
Das Lokal war zwar nicht das letzte Musikgeschäft auf Platz. Dennoch hinterlässt es eine beträchtliche Lücke. «Das ist ein grosser Verlust für eine so grosse Stadt wie Uster», ordnet Ekkehard Sassenhausen, Schulleiter der Musikschule Uster Greifensee ein.
Grund dafür ist der unerwartete Tod des Inhabers und Geschäftsführers Daniel Schärz. Seit seinem Ableben im Sommer hatte die Witwe Gabriela Schärz eine Nachfolgeregelung gesucht. Letztlich fand Sie mit dem Fachhändler FNX Music einen Käufer, der das Material und die Serviceleistungen übernimmt, den Standort Uster aber nicht weiterbetreiben wird (siehe Box).
Eine Familie, ein Geschäft
Damit endet auch eine bemerkenswerte Familiengeschichte, die 1971 begonnen hatte und die durch und durch mit Herzblut getränkt war. Von Daniel Schärz’ Vater Samuel und dessen Frau Elsbeth gegründet, hatte sich das Unternehmen anfänglich auf Orgelbausätze spezialisiert. Später stiegen der Onkel Aaron Schärz und dessen Frau Trudi ein.
Das Geschäft erweiterte die Familie im Laufe der Jahre kontinuierlich. Sie vervollständigte das Sortiment mit Pianos, Blasinstrumenten und Gitarren, darüber hinaus wurden Serviceleistungen und Reparaturen für Instrumente von Privaten, Kirchen und Schulen erbracht.
Dank dem Miet-Kauf-Modell, einer Art Leasing für Instrumente, ermöglichte die Familie Schärz bereits früh zahlreichen entdeckungsfreudigen Kindern den Zugang zur Musik. Jahrelang bot das Haus im ersten Stock der Liegenschaft beim Bahnhof sogar Musikunterricht an.
So konnte es nicht nur neue Kundschaft gewinnen, sondern auch die Verankerung in der Gesellschaft stärken.
Dank der persönlichen Note
In diesem Umfeld aufgewachsen, war der Weg von Daniel Schärz vorgezeichnet. Nach einer Lehre suchte der Vollblutmusiker sein Glück als Keyboarder in der Rockmusik, gleichzeitig stieg er in den Betrieb ein und übernahm als Vertreter der zweiten Generation zunehmend mehr Verantwortung.
Um die 2010er-Jahre erfolgte schliesslich ein Umbruch. Zuerst verstarb der Vater, einige Jahre später liess sich der Onkel pensionieren. Weil die Zeiten auch wirtschaftlich härter wurden, galt es, sich auf die Stärken zu besinnen und sich von bestimmten Geschäftsfeldern, wie etwa dem Unterricht, den klassischen Klavieren und den Blasinstrumenten wieder zu trennen.
Wir hatten viele gute Jahre.
Gabriela Schärz
Im Bereich der digitalen Orgeln, der digitalen Pianos und der Gitarren blieb Musik Schärz stark. Auch die Beziehungen zu den Schulen blieben bestehen. So setzte etwa die Musikschule Uster Greifensee bis zuletzt im digitalen Tastenbereich und beim klassischen Instrumentarium (Blockflöten, Noten, Ständer, etc.) auf die Dienste des Hauses.
Dank gutem Service, fachlicher Expertise, persönlicher Beratung und vor allem der unbändigen Leidenschaft seines Inhabers, konnte Musik Schärz der wachsenden Konkurrenz durch den Internetverkauf trotzen. «Wir hatten viele gute Jahre», blickt Gabriela Schärz zurück.
Die Pandemie als trojanisches Pferd
Die Zäsur erfuhr der Betrieb 2019, als Daniel Schärz erkrankte. Seine Frau Gabriela sprang ein, führte die Geschäfte so gut es ging. Doch als er nach einem Jahr gesund zurückkehrte, hatte ihm die Pandemie ein trojanisches Pferd vor die Haustüre gestellt.
Die geschlossenen Ladentüren während der Lockdowns konnte das Haus zwar durch viele Verkäufe unmmittelbar vor- und nachher ausgleichen. Mit dem Verbot von Reisen und der weitreichenden Homeoffice-Pflicht entstanden Freiräume, die es zu füllen galt.
Doch ähnlich wie bei den Haustieren, war die Begeisterung für das neu erworbene Instrument nach der Aufhebung der Restriktionen bei vielen Kundinnen und Kunden schnell wieder verflogen. Das wiederum führte zu einer grossen Menge an Retouren.
Von Daniel Schärz komponiert und eingespielt: Videoclip zum Song Nostalgia.
Auch musste der emotional engstens mit seinem Metier verbundene Daniel Schärz die schmerzhafte Erfahrung machen, dass zahlreiche Menschen die im Web erlernte Einkaufs- und Basarkultur ins reale Leben übertrugen.
So traf er vermehrt auf Leute, die sich von ihm bis ins Detail beraten liessen, um das passende Instrument schliesslich im Internet zu erwerben. Dass der Kriegsausbruch in der Ukraine daraufhin noch die Kauffreudigkeit dämpfte, verdunkelte den Blick nach vorne weiter.
Geregelt, aber nicht erleichtert
Dass ihm die schwierige persönliche und wirtschaftliche Situation zusetzte, liegt auf der Hand. Ob sie seine Krankheit wieder zurückgerufen hat, ist nicht abschliessend zu klären. Ein zweites Mal besiegen konnte sie der 55-Jährige nicht mehr.
Zurück blieben seine Frau, zwei erwachsene Kinder und das Musikgeschäft, das in diesem Moment vor allem eine Bürde war. Während Monaten musste Gabriela Schärz in der schwierigsten Zeit ihres Lebens eine Nachfolgelösung für das Lebenswerk ihres Mannes finden. Derweil drückte das Wissen um die Ungewissheit in der Kundschaft.
Dass sie die Zukunft nun regeln konnte, dürfte ihr etwas Gewicht von den Schultern genommen haben. Glaubt man zumindest zu meinen. «Das höre ich in meinem näheren Umfeld oft», sagt Gabriela Schärz. «Aber auf diese Erleichterung warte ich immer noch. Es überwiegen die unfassbare Trauer und grenzenlose Leere.»
FNX übernimmt Instrumente und Service
Inzwischen hat FNX Music (www.fnx.ch) das Inventar von Musik Schärz erworben. Das Fachgeschäft aus dem fribourgischen Romont, welches über ein eigenes Orgelhaus verfügt, übernimmt auch alle Service-, Garantie- und Unterhaltsleistungen des Ustermer Musikhauses. Ansprechpartner für Kundinnen und Kunden ist Raoul Morel (079 332 06 57, info@fnx.ch).