Von Wetzikon aus ein schneller Notfalltransport nach Strassburg
Rettungshelikopter-Basis als ZOM-Attraktion
Die Alpine Air Ambulance betreibt während der ganzen ZOM vor Ort eine Rettungshelikopter-Basis. Die Redaktion hat das Team einen Tag lang begleitet.
«Steht der Heli hier einfach so als Ausstellungsexemplar?» «Nein, wir sind ‹scharf› da.»
Die Antwort des Piloten der Alpine Air Ambulance (AAA) an einen Besucher beschreibt in nur fünf Worten eine der Hauptattraktionen der diesjährigen Züri Oberland Mäss (ZOM): Ein einsatzbereites Rettungshelikopter-Team fliegt ab einer temporären Basis auf einer Wiese gleich neben dem Eisstadion die ganze Messe über reale Einsätze. Sogar schon, bevor die ZOM am Mittwochnachmittag offiziell begann.
So kommt es am Mittwochmorgen, kurz nachdem die Basis fertig eingerichtet ist, bereits zu einem Alarm: «Atemnot schwer» in einer Gemeinde im Zürcher Unterland, so lauten die ersten Informationen. Keine zwei Minuten später hebt der blau-gelbe Heli vom Typ EC 135 mit der Standardbesatzung Pilot, Notarzt, Rettungssanitäter zu seinem Premiere-«ZOM-Einsatz» ab.
«Lions 3, airborne Wetzikon»
Lions 3, so der Funkrufname des Helis, meldet den Start der zuständigen Flugverkehrskontrollstelle: «Lions 3, airborne Wetzikon Richtung Bülach.» Kaum in der Luft, wird die Maschine von der Notrufzentrale jedoch umdisponiert, weil ein Heli, der gerade über dem Unterland unterwegs ist, den Auftrag übernimmt.
Neuer Einsatzort für Lions 3 ist das Kantonsspital Schaffhausen. Hier soll eine Patientin auf der Intensivstation abgeholt und – die Crew reibt sich die Augen – nach Strassburg transportiert werden.
Trotz dem ungewöhnlichen, weil für einen Schweizer Rettungsheli recht weit entfernten, Zielort ein typischer Einsatz für die AAA: Denn einerseits entspricht er genau der sogenannten Next-best-Strategie, nach der bei dringenden Fällen jeweils das nächstgelegene geeignete und nicht wie früher einfach generell das örtlich zuständige Einsatzmittel disponiert wird. Andererseits führt er, wie regelmässig bei den über 3000 jährlichen Flugrettungseinsätzen der AAA, ins benachbarte Ausland.
Wo gibt es Flugbenzin?
Nur: Dieser Langstreckenflug von fast einer Dreiviertelstunde, für den im Normalfall im Vorfeld eine ausführliche Abklärung diverser wichtiger aviatischer und medizinischer Details nötig ist, bringt die Crew ins Rotieren. Sie muss nun alle Planungsfragen im Eiltempo lösen. Zum Beispiel das zentrale Problem, wann und wo der für eine solche Strecke nötige Tankstopp möglich ist. Aber auch die banal erscheinende Frage, wo genau sich das noch nie angeflogene Spital und vor allem der Landeplatz befinden.
Während nach der Landung in Schaffhausen der Notarzt und der Rettungssanitäter im Spital die schwerstkranke, künstlich beatmete und in Narkose versetzte Patientin übernehmen, klärt der Pilot unter anderem mithilfe der AAA-Einsatzzentrale die ungelösten flugtaktischen Fragen ab. Die ganze Crew ist bei der komplexen Übergabe der Intensivpatientin voll beschäftigt, jeder hilft dem anderen. Dank dem eingespielten Teamwork kann die 67-Jährige 25 Minuten später in den Heli geladen werden.
Permanente Kommunikation
Mittlerweile ist auch klar, wo sich das Spital und der Landeplatz in Strassburg befinden und wo getankt wird: vor dem Rückflug auf dem nahe gelegenen internationalen Flughafen der französischen Stadt. Der halbstündige Flug von Schaffhausen nach Strassburg bei einem Reisetempo von gegen 230 km/h verläuft problemlos.
Die Patientin ist stabil, sodass Notarzt Christoph Dübendorfer während des Flugs bereits das Einsatzprotokoll ausfüllen kann. Pilot Andy Pally und der Rettungssanitäter Stiafen Furger sind fast permanent mit Kommunikationsaufgaben beschäftigt. Unter anderem mit der An- und Abmeldung bei den wechselnden Luftverkehrskontrollstellen. Aber auch mit der Übermittlung der Personalien der Crew und der Patientin an den Zoll, weil man ja von der Schweiz via Deutschland nach Frankreich fliegt.
Bei der Landung auf einer Plattform auf dem Dach des grossen Spitalkomplexes in Strassburg stehen zwei Feuerwehrleute bereit: eine lokale Vorschrift, wie sie die Schweizer nicht gewohnt sind.
Die Heli-Vorteile: schnell und schonend
Nach dem Rückflug von Strassburg nach Wetzikon wird zuerst getankt, sodass der Heli wieder einsatzbereit ist. «Most» wird ab einem gegen 1000 Liter fassenden Tankwagen bezogen, den die AAA beim ZOM-Landeplatz stationiert hat.
Am späten Nachmittag kommt es zum zweiten Einsatz des Tages. In Wald ist ein Velofahrer verunfallt. Pilot Andy Pally, der in Hinwil wohnt, und Rettungssanitäter Stiafen Furger, der lange beim Oberländer Rettungsdienst Regio 144 arbeitete, wissen auch ohne Navigationssysteme exakt, wo der Einsatzort ist. Der Velofahrer wird auf einem freien, grossen Parkplatz, wo der Heli landen konnte, bestens erstversorgt von einem Team der zuerst ausgerückten Regio, übernommen und ins Universitätsspital Zürich geflogen.
Auch das ein typischer Einsatz für einen Rettungshelikopter. Im Gegensatz zum Strassburg-Auftrag ist hier nicht eine lange Strecke schnell zurückzulegen, sondern es ist zusätzlich ein möglichst schonender Transport für den Velofahrer erforderlich. Denn der Mann dürfte sich eine sehr schwere Rückenverletzung zugezogen haben.
«Dem Publikum Luftrettung näherbringen»
Die AAA ist einmal im Jahr an einer grossen Messe präsent – heuer eben an der ZOM. Diesen Anlass hat man laut Stiafen Furger, der auch Mitglied der Geschäftsleitung der Alpine Air Ambulance ist, ausgesucht, weil das Unternehmen «im Zürcher Oberland noch sehr wenig bekannt ist». Und ganz allgemein, «um einem grossen Publikum die Luftrettung näherzubringen». Ein Ziel, das erfüllt wird: Der Heli neben der Eishalle ist ständig von Besuchern umringt, die sich von der anwesenden Crew ihre Fragen aus erster Hand beantworten lassen.
Teil einer erfolgreichen Firmengruppe
Die Alpine Air Ambulance (AAA) gehört zur Lions Air Group AG. Bei der 1987 gegründeten Gruppe, die sieben Unternehmen vereint, handelt es sich um eine erfolgreiche Schweizer Gesellschaft, die international tätig ist – unter anderem mit mehreren Feuerlöschhelikoptern – und insgesamt gegen 400 Mitarbeitende beschäftigt.
Die AAA ist ein primär in der Deutschschweiz tätiger Rettungsdienst, der sowohl in der Luft als auch am Boden aktiv ist. Neben konventionellen Notfalleinsätzen und nicht dringenden Verlegungen von Patienten ist die Firma spezialisiert auf Organtransporte. Abgesehen von Notfalleinsätzen, die über die staatlichen 144er-Notrufzentralen laufen, wird der 24-Stunden-Betrieb der AAA durch eine eigene Einsatzzentrale koordiniert. (ehi)