Verdächtige Frau verhaftet – grosse Erleichterung in Elgg
Brandserie in Elgg
Die Brände in Elgg hat wohl eine 44-jährige Frau gelegt. Das sei ungewöhnlich, sagt ein Experte.
Als Anfang Juni im Elgger Weiler Wenzikon ein Feuer ausbrach, war dies bereits der sechste Brand in der Gemeinde seit Anfang März. In allen sechs Fällen ermittelte die Kantonspolizei Zürich wegen Brandstiftung.
Nun hat sie einen Ermittlungserfolg zu vermelden. Wie es in einer aktuellen Mitteilung heisst, hat die Kapo am Sonntag eine 44-jährige Tatverdächtige verhaftet. Die ortsansässige Schweizerin ist laut der Mitteilung weitgehend geständig. Die Untersuchungen der Kapo und der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland dauern aber noch an.
Zum genauen Ablauf der Verhaftung kann die Kantonspolizei aus taktischen Gründen nichts sagen. «Es waren aber sehr intensive Ermittlungen über einen längeren Zeitraum. Das zehrt an den Kräften der Polizistinnen und Polizisten«, sagt Alexander Renner von der Kantonspolizei.
«Es ist ja unsere Kernaufgabe, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Auch wir sind deshalb erleichtert und froh, dass wir jetzt eine dringend Tatverdächtige festnehmen konnten.»
Ungewöhnliche Täterschaft
Dass es sich bei der Tatverdächtigen um eine Frau handle, sei ungewöhnlich, sagt Frank Urbaniok, Professor für Forensische Psychiatrie an den Universitäten Zürich und Konstanz. Und weiter: «Allerdings gilt in unserem Fach der Grundsatz: Es gibt nichts, was es nicht gibt.»
Laut Statistik würde man bei Brandserien eher Männer im Alter von 16 bis 24 Jahren erwarten. Anzunehmen, dass es vor diesem Hintergrund länger gedauert haben könnte, die tatverdächtige Person zu finden, ist Urbaniok aber zu spekulativ.
«Ich weiss nicht, welche Spuren die Polizei verfolgt hat. Sie zieht bei ihren Ermittlungen nicht primär die Statistik zurate.» Vielleicht habe man Spuren an einem Tatort gefunden, oder es seien Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen.
«Dass die Tatverdächtige ortsansässig ist, überrascht nicht», sagt Urbaniok. Solche Taten würden häufig in der Nähe des Wohn- oder Arbeitsortes ausgeführt. Das sei schon vom Logistischen her einfacher.
Teilweise hätten auch die Motive einen Zusammenhang mit dem persönlichen Umfeld; gehe es etwa um Rache oder darum, Aufmerksamkeit zu erwecken und die Reaktionen mitzubekommen. Aktuell sei es allerdings sehr früh, um etwas Konkretes zu sagen.
Die Staatsanwaltschaft hat gemäss der Mitteilung der Kantonspolizei ein Strafverfahren gegen die mutmassliche Brandstifterin eröffnet und beim Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft beantragt.
Erleichterung in der Gemeinde
Gemeindepräsidentin Ruth Büchi-Vögeli ist erleichtert über die Verhaftung. «Nicht nur ich, sondern die ganze Bevölkerung», sagt sie. «Es hat Angst gemacht, dass man nicht wusste, ob und wann es zum nächsten Brand kommt.» Die Verhaftete kenne sie nicht. «Dass es jemand Ortsansässiges ist, habe ich aber aufgrund der Wahl der Brandobjekte vermutet.»
Büchi-Vögeli sagt, sie sei von der Kantonspolizei über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten worden. «Ich habe gewusst, dass ein zu Beginn grosser Kreis von möglichen Tatverdächtigen zunehmend kleiner wurde.»
Von der Verhaftung am Sonntag habe sie aber zuerst von Bürgerinnen und Bürgern erfahren. «Sie haben sich am Sonntagabend bei mir gemeldet, da sie viele Polizeiautos im Dorf gesehen haben.»
An der nächsten Sitzung werde der Gemeinderat besprechen, wie sie mit den Sicherheitsmassnahmen weiterfahren würden. Etwa, dass die Strassenlampen in der Nacht druchgängig eingeschaltet waren. «Ich gehe davon aus, dass wir die Strassenbeleuchtung im Laufe des Sommers nachts wieder reduzieren können.»
Belastende Situation
Bewohner im Städtchen sind überrascht, dass mutmasslich eine Frau die Brandstifterin ist: «Ich dachte, es wäre ein Jugendlicher», sagt ein Teenager, ehe er mit dem Moped losfährt. Wer die Frau ist, bleibt ein Rätsel. Ein Gast in der Eintracht hat zwar eine Vermutung. Doch die behält er lieber für sich.
Zwar verbreitet sich die Nachricht von der Festnahme rasch im Dorf. Dennoch hören einige erstmals von der Journalistin davon: «Gänsehaut», sagt eine Frau, die vis-à-vis dem Wohnhaus lebt, das am 16. März brannte. Wegen der Brandserie gilt im Haus die Regel, dass ab 22 Uhr alle Türen abgeschlossen sein müssen: «Das bleibt wohl so», sagt die Frau.
Auch Hansueli Bosshard will die Kamera an der Metallbaufirma Bosshard, die heute sein Sohn führt, vorerst nicht abmontieren. Der 72-Jährige war bis vor drei Jahren der Besitzer des abgebrannten Wohnhauses. Verkauft habe er es, weil er es wegen des Denkmalschutzes nicht wie gewünscht habe umbauen können: «Das wäre jetzt natürlich kein Problem mehr.»
Die Situation war laut Bosshard belastend. Die Brände seien ein grosses Thema gewesen. Sogar Listen von unbewohnten Häusern und Scheunen als möglichen Brandorten seien angefertigt worden: «Man hat geschaut, wo es als Nächstes brennen könnte.»
Ein Thema im Dorf ist auch das Waaghäuschen, an dem wohl neuere Brandspuren zu sehen sind. Ob es einen Zusammenhang mit der Festnahme gibt, kommentiert die Kantonspolizei nicht. Eine Frau freut sich vor allem für ihre Tochter, welche die Brände mehr belastet hätten: «Es ist auch schade um die schönen Gebäude, die zerstört wurden.»
Unheimliche Brandserie
Die Brandserie beschäftigt Elgg seit Anfang März. Der grösste Brand ereignete sich Mitte März mitten im historischen Ortskern, als in der Nacht mehrere Häuser in Brand gerieten. Fünf bis sechs Gebäude waren direkt betroffen, die Feuerwehr konnte ein Übergreifen der Flammen auf weitere Häuser nur mit einem Grossaufgebot verhindern, über 100 Personen standen im Einsatz. Rund 40 Personen mussten evakuiert werden. Schon damals wurde zur Brandursache ermittelt und Leute vor Ort befragt.
Einige dachten da vielleicht schon mit einem unguten Gefühl an einen Brand Anfang März. Damals brannte es in einer Lagerhalle. Durch das Feuer und den Russ wurden diverse Fahrzeuge beschädigt. Die Brandursache blieb zunächst ungeklärt.
Unheimlich wurde es Mitte April, als es erneut im Dorfkern brannte, nur wenige Meter vom ersten grösseren Hausbrand entfernt. Ein Schopf brannte bis auf die Grundmauern nieder. «Es war ein altes Holzgebäude», sagte damals Roger Bonetti von der Kantonspolizei. «Das brennt wie Zunder. Da braucht es nicht viel, besonders wenn es dann noch so windet wie letzte Nacht.»
Hinzu kam Ende April ein weiterer Schopf am Dorfrand, der in Flammen aufging. Es war der vierte Brand. Recherchen dieser Redaktion vor Ort zeigten zudem, dass es bei mindestens drei Gebäuden in Elgg ebenfalls deutliche Brandspuren gab.




Beim Heimatmuseum, bei einer Scheune im Dorfzentrum und einer Hütte beim Torweiher waren Holzfassaden an mehreren Stellen verkohlt. Die Spuren waren laut Anwohnern neu und wirken vereinzelt, als habe jemand versucht, die Holzfassaden in Brand zu stecken.
Ein Polizeisprecher bestätigte damals, Ende April, dass es weitere Versuche von Brandstiftung in Elgg gegeben habe, aber nicht, wo und wie viele.
Die Serie riss aber weiterhin nicht ab: Nachdem Anfang Juni im Dorfzentrum ein Auto in Flammen aufgegangen war, musste die Feuerwehr kurz darauf erneut zu einem Brandort ausrücken. Diesmal brannte es in Wenzikon bei Hofstetten, einem Weiler der Gemeinde Elgg mit einer Handvoll Häusern – der sechste grössere Brand innert weniger Monate.