Polizeikontrollen in der Nacht, neue Brandspuren – ein Dorf im Ausnahmezustand
Brandserie in Elgg
In Elgg sind in sehr kurzer Zeit mehrere Gebäude abgebrannt. Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung. An mehreren Fassaden gibt es neue Spuren von Feuer.
«Hat es wieder gebrannt? Das ist die erste Frage meiner Kinder am Morgen. Es erdrückt mich, wie sehr sie das beschäftigt», sagt ein Vater, der mit seiner Familie in einem Holzhaus im Landstädtchen Elgg wohnt.
Mehr als sieben Monate mussten die Brandbekämpfer von Elgg zu keinem einzigen Feuer ausrücken. Doch seit Anfang März sind es bereits sieben Einsätze wegen Bränden innerhalb von sieben Wochen gewesen, wie aus einer Auflistung der örtlichen Feuerwehr hervorgeht.
Auch Matthias Held wohnt in der Nähe jenes leer stehenden Gebäudes mit angebautem Schopf, das Mitte März bei einem Grossbrand abbrannte, ein Loch in den historischen Dorfkern riss und einen Schaden in Millionenhöhe verursachte. «Viele bei uns bangen und schlafen schlecht, haben ein ungutes Gefühl», sagt Held.
Nachdem am Wochenende bereits ein dritter Schopf abgebrannt war, teilte die Kantonspolizei Zürich erstmals mit, dass «Brandstiftung im Vordergrund» der Ermittlungen stehe.
Verkohltes Holz bei drei weiteren Objekten
Recherchen dieser Redaktion vor Ort zeigen nun, dass es bei mindestens drei Gebäuden in Elgg ebenfalls deutliche Brandspuren gibt. Beim Heimatmuseum, einer Scheune im Dorfzentrum und einer Hütte beim Torweiher sind Holzfassaden an mehreren Stellen verkohlt. Die Spuren sind laut Anwohnern neu und wirken vereinzelt, als habe jemand versucht, die Holzfassaden in Brand zu stecken.
Ein Polizeisprecher bestätigte, dass es weitere Versuche von Brandstiftungen in Elgg gegeben habe, aber nicht, wo und wie viele.

Die ungewöhnliche Häufung von Feuern sowie der Verdacht, dass ein Pyromane unterwegs sein könnte, verunsichern in Elgg viele. «Es ist sehr beängstigend, was da vor sich geht», sagt eine Dorfbewohnerin. Eine andere erklärt: «Die Sorge ist da, dass er auch zu uns kommt.»
Erinnerungen an Serienbrandstifter
Bei manchen Bewohnern kommen auch Erinnerungen hoch an eine 13 Monate lange Serie von Brandstiftungen vor mehr als zehn Jahren. Die Polizei zog damals einen Profiler aus Holland hinzu und setzte auf verstärkte Patrouillen.
Nach 30 gelegten Bränden überführten die Ermittler schliesslich einen damals 25-jährigen Feuerwehrmann aus Elgg per DNA-Abgleich anhand von Spuren an den Tatorten. Seine bedingte Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren wurde zugunsten einer Therapie aufgeschoben.
Ein Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin attestierte dem Mann damals eine «erhebliche Rückfallgefahr», falls seine Probleme nicht behandelt würden.
«Klar, dass er es nicht ist»
Dass der damalige Brandstifter einer der ihren war, beschäftigt die örtlichen Feuerwehrleute kaum. «Wenn ich dabei bin, wird nicht darüber gesprochen», sagt Kommandant Robert Frauenfelder. Der ehemalige Kamerad sei ausgetreten und weggezogen.
Die Stimmung bei den Aktiven sei trotz der zuletzt vielen Brände gut. «Wir rücken aus, wenn es brennt, und machen unseren Job – Einzelkämpfer brauchen wir nicht», sagt der Feuerwehrchef. Er ruft dazu auf, Augen und Ohren offenzuhalten und jegliche verdächtige Wahrnehmung der Polizei zu melden.

Mehrere Bewohner, darunter auch die Gemeindepräsidentin von Elgg, sagen unabhängig voneinander, dass es keinen Zusammenhang zwischen den beiden Brandserien gebe. Der damals Verantwortliche sei in einen anderen Kanton gezügelt, habe geheiratet und sei psychisch stabil.
«Für mich ist klar, dass es sicher nicht er ist», sagt Gemeindepräsidentin Ruth Büchi-Vögeli und ergänzt: «Wir hoffen, dass die Ermittlungen bald so weit sind, dass es ein Ende findet.» Die Polizei selbst äussert sich nicht weiter zu den Ermittlungen und den möglichen Zusammenhängen mit der letzten Brandserie.
Symptomatik bei Brandstiftungen
Doch einige Bewohner befürchten, dass es zu weiteren Feuern im Dorf kommen wird. «Die Erfahrung zeigt, dass solche Leute nicht von sich aus aufhören», sagt der Familienvater aus dem Dorfzentrum. Auch Hansueli Bosshard fürchtet weitere Feuer. «Man fängt an nachzudenken, was noch passieren könnte», sagt der alteingesessene Unternehmer.
Das nun abgebrannte Wohnhaus im Dorfzentrum sei sein «Erbstück» gewesen, das er vor wenigen Jahren an einen Holzbauer verkauft habe. Auffällig sei für ihn: «Alle drei abgebrannten Objekte sind unbewohnt gewesen, haben keine Tiere beherbergt und über keine Bewegungsmelder oder Überwachungskameras verfügt», sagt Bosshard.

Sein Freund Paul Weier sagt: «Es muss auch jetzt wieder jemand sein, der sich hier wirklich gut auskennt.» Bei der letzten Serie von Brandstiftungen im Jahr 2011 brannte Weiers Reithalle nieder, es resultierte ein Schaden von rund 450’000 Franken. Auch damals seien alle Feuer nachts ausgebrochen, erinnert sich Bosshard.
«Wir haben ein wachsames Auge»
Umso aufmerksamer sind die Bewohnerinnen und Bewohner. Denn es gebe eine Vielzahl von leer stehenden und abgelegenen Objekten in Elgg und Umgebung.
Einzelne Bewohner würden vor dem Schlafengehen noch eine Runde durch die Gemeinde drehen, bestätigt eine Elggerin: «Wir haben ein wachsames Auge, schauen jetzt bei einem Schopf genauer nach. Aber es wäre schwierig, jemand auf frischer Tat zu ertappen.» Eine organisierte Bürgerwache gebe es hingegen nicht.
Bemerkt habe man auch die Polizei, die vor allem nachts in Elgg präsent sei und Ausschau halte. Bürger berichten von zivilen Autos mit zwei Insassen, die ohne Beleuchtung vor ihren Häusern oder an gewissen Ecken stehen. Manche hätten auch schon bei der Polizei angerufen und gefragt, ob das Auto auch wirklich ein Einsatzfahrzeug sei.
Polizeikontrolle beim Rausfahren aus Elgg
Zudem führt die Polizei auch Kontrollen mitten in der Nacht durch. Der eingangs erwähnte Familienvater arbeitet nachts ab 3 Uhr und wurde bereits vergangene Woche kontrolliert, als er mit dem Auto aus Elgg rausfuhr. «Die vermehrte Polizeipräsenz hat sicher eine abschreckende Wirkung. Ob sie letztlich zu mehr Sicherheit führen wird, ist eine andere Frage», sagt er.
Erst am Montagnachmittag habe ein neuerlicher Brandalarm erneut für Aufregung in Elgg gesorgt. «Da schauen einen die Kinder wieder mit fragenden Augen an», sagt der Familienvater. Die Feuerwehr meldet auf ihrer Website kryptisch einen «Flächenbrand».