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Blaulicht

Intensive Therapie für Volg-Räuber von Gibswil

Dass er den Volg in Gibswil überfallen hatte, daran mag sich ein 47-Jähriger nur noch bruchstückhaft erinnern. Doch für diese und weitere Taten schickt ihn das Gericht nun in eine Therapie. Seine Begleiterin kommt mit einer bedingten Strafe davon.

Mit einer Spielzeugpistole, die er noch schwarz anmalte, wodurch sie sehr echt aussah, hatte der Räuber eine Verkäuferi bedroht.

(Symbolfoto: Ernst Hilfiker)

Intensive Therapie für Volg-Räuber von Gibswil

Was die Anklagebehörde dem Pärchen vorwirft, das kürzlich vor dem Bezirksgericht Hinwil stand, erinnert ein bisschen an einen billigen Krimi. Ein heute 47-Jähriger soll Ende September 2019 eine Spielzeugpistole gekauft und sie danach schwarz angemalt haben. Mit der laut Anklage nun «täuschend echt aussehenden» Pistole machte er sich im Auto auf nach Gibswil (Fischenthal), wobei die Nummernschilder des Wagens mit weissem Malerklebband abgedeckt waren. Vor dem Volg hielt er an, vermummte sich mit zwei T-Shirts, zog zusätzlich noch eine Sonnenbrille an und betrat das Geschäft.

«Die Geschädigte fürchtete um ihr Leben.»

Anklageschrift zur Situation der Volg-Verkäuferin

Dort bedrohte er die Verkäuferin und kommandierte sie «hinter d’Kasse». Die Volg-Mitarbeiterin, «welche davon ausging, dass er sie mit einer echten Faustfeuerwaffe bedroht, fürchtete um ihr Leben». Deshalb öffnete sie die Kasse, der Mann nahm die Geldschublade mit rund 3000 Franken Inhalt, rannte aus dem Laden und fuhr mit dem Auto weg.

Auch Autos «ausgeräumt»

Tage zuvor soll der Mann gemäss Anklage zudem fünf Diebstähle, meistens aus Autos, in Oetwil am See, Wetzikon, Gossau, Hinwil und Dürnten begangen haben. Dabei machte er eine Beute von ein paar wenigen tausend Franken und richtete – weil er bei den Autos jeweils mit einem Stein die Scheiben eingeschlagen hatte – oft recht hohen Sachschaden an.

Sowohl beim Raub wie bei einem der Diebstähle begleitete ihn seine Partnerin. Und beide waren mehrfach im Auto unterwegs, obwohl ihnen der Führerausweis entzogen worden war.

Beide im Heroin-Rausch unterwegs

Der Mann gab am Prozess alle Beschuldigungen weitgehend zu. Für die Haupttat, den Raub, machte er jedoch «einen Filmriss» geltend. Er habe damals «über zehn Valium-Tabletten» und Heroin intus gehabt, war also ziemlich «zu». Heute kann er sich nur noch erinnern, dass seine Partnerin im Auto draussen geschlafen habe und erst erwachte, als er die Beute in den Wagen schmiss: Die Frau sei in jenem Moment «durch die Decke gegangen».

Eine Version, welche die heute 46-Jährige nachdrücklich bestätigte. Sie sei extrem wütend geworden, als sie realisierte, dass ihr Partner gerade einen Raub begangen hatte. Dass sie das, was da lief, nicht schon zuvor, auf der gemeinsamen Fahrt zum Volg, bemerkte, sei an ihrem Zustand gelegen: «Ich war down, voll auf Heroin», sagte die Frau. Sie, die in ihrer Jugend Wettkampfsportlerin war, dann, wie ihr heutiger Freund, im Teenageralter auf den Geschmack harter Drogen kam und wegen ihrer Sucht und psychischen Problemen seit zehn Jahren nicht mehr arbeiten kann.

Mehrfach vorbestraft

Die Staatsanwältin forderte für den mehrfach vorbestraften Mann den Widerruf einer früheren, bedingten Strafe und neu eine Gesamtstrafe von 68 Monaten. Diese Strafe sei jedoch aufzuschieben zugunsten sowohl einer stationären wie einer ambulanten Therapie.

Die Frau, die sie als Komplizin des Mannes betrachtete, sei mit zehn Monaten bedingt zu bestrafen. Zudem sei eine frühere, bedingte Geldstrafe von 4800 Franken nun zu bezahlen. Und vor allem müsse die geborene Deutsche für fünf Jahre des Landes verwiesen werden.

«Faktisch keinen relevanten Tatbeitrag geleistet»

Verteidiger zur Rolle der Komplizin

Die Verteidiger des Paares erbaten mildere Strafen: 42 Monate und die Therapien für den Mann, drei Monate bedingt für die Frau. Weder er noch sie seien für einen ihnen angelasteten Einbruchdiebstahl in Wetzikon verantwortlich, und die Frau sei ohnehin nur des Fahrens ohne Ausweis schuldig. Beim Raub im Volg habe sie «faktisch keinen relevanten Tatbeitrag geleistet». Ein Landesverweis, der für die Angeklagte «katastrophal wäre», sei deshalb kein Thema mehr.

Behandlung läuft bereits

Das Gericht senkte die Strafen dann. So erhielt der Mann wegen Raubes und weiterer Delikte eine Gesamtstrafe von 57 Monaten. Diese Sanktion wird laut dem nun vorliegenden, unbegründeten Urteil jedoch aufgeschoben zugunsten einer stationären sowie einer ambulanten Sucht- und Wiedereingliederungstherapie – eine recht ungewöhnliche, weil quasi doppelte und entsprechend intensive Behandlung. Der Mann, der am Prozess einen guten Eindruck hinterliess, befindet sich bereits in diesen Therapien, «die sehr gut ankommen bei mir».

Ferner hat der Räuber Verfahrens- und Schadenersatzkosten von mindestens 28’000 Franken zu tragen. Ob diese je beglichen werden, ist in Anbetracht der Schulden des Mannes von 300’000 Franken aber zweifelhaft.

Kein Landesverweis

Die Frau wurde lediglich des mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung schuldig gesprochen; in Bezug auf eine Gehilfenschaft zum Raub und weitere Taten gab es einen Freispruch. Sie erhielt eine bedingte Strafe von vier Monaten und muss die frühere, bedingte Geldstrafe begleichen. Von grösster Bedeutung für die 46-Jährige dürfte jedoch folgende Entscheid des Gerichtes sein: «Es wird keine Landesverweisung angeordnet.»

Das beschlagnahmte Auto der Frau, mit dem ihr Partner für den Raub zum Volg gefahren war, wird der Staat zu verkaufen versuchen. Der Erlös wird zur Deckung der Verfahrenskosten verwendet. – Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

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